DE  |   ENG

facebook   

 
Teilen auf Facebook   Instagram   Link zur Seite versenden   Ansicht zum Drucken öffnen
 

Projekt: Handschriftenfragmente der Hennebergischen Gymnasialbibliothek Schleusingen

Die Bestände der Historischen Bibliothek des Hennebergischen Gymnasiums sind wegen des Alters ihrer Bücher und ihres Entstehungshintergrundes (Privatbibliothek des letzten Henneberger Grafen) besonders wertvoll. Die ehrwürdigen Bände enthalten handschriftliche und gedruckte Titel aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Doch auf den Buchdeckeln und auch in den Bucheinbänden verbergen sich weit ältere Schätze:

Im Juni 2017 nahm die Historikerin und Fragmentforscherin eine Autopsie in der Hennebergischen Gymnasialbibliothek vor und machte erstaunliche Funde. Viele der Buchbände aus dem 15. und 16. Jahrhundert enthalten Fragmente mittelalterlicher Handschriften und Inkunabeldrucke, die als Makulatur zweitverwendet wurden. Allein an den ca. 200 Büchern aus der Karolingische Minuskel, Fragment enthält einen Auszug aus dem Matthäusevangelium (HGB Frag. S 422)Bibliothek Graf Georg Ernsts von Henneberg-Schleusingen (gest. 1583) fanden sich 204 solcher "Überreste". Sie datieren ins 10. bis 15. Jahrhundert und sind damit weitaus älter als die Bücher selbst. Die meisten von ihnen stammen aus einem liturgischen Kontext, sind also Überreste von ehemaligen Bibelhandschriften oder von Codices, die im Gottesdienst verwendet wurden. In ihnen finden sich nicht selten mittelalterliche Noten. Darüber hinaus konnten bisher vier Urkundenfragmente aus dem Spätmittelalter und ein hebräischer Text entdeckt werden.

Vor dem Hintergrund, dass von der Schleusinger Johanniskirche oder dem erst 1503 gegründeten Schleusinger Franziskanerkonvent keinerlei liturgischen Codices bekannt sind, verdienen die liturgischen Fragmente eine erhöhte Aufmerksamkeit, da sich unter ihnen Reste der einstigen Kirchenbibliotheken befinden könnten. Im übrigen sind auch von der Klöstern der Umgebung, darunter auch das Hauskloster der Grafen von Schleusingen, das Kloster Veßra, heute keine liturgischen Handschriften mehr bekannt. Auch aus diesen Klöstern könnten sich eventuell Reste unter der Makulatur befinden. Damit können die liturgischen Fragmente Aufschlüsse zur Kirchengeschichte vor Ort und die Ausprägung der Frömmigkeit liefern. Auch über den teilweise Bestand der ehemaligen Kirchen- oder Klosterbibliotheken sind in Verbindung mit den weiteren Fragmenten grundlegende Informationen über das geistige Umfeld zu erwarten.

Einige Fragmente sind in karolingischer Minuskel geschrieben, dürften also aus klösterlichem Zusammenhang stammen. Allein die Tatsache, dass Fragmente aus der Zeit vor 1200 vorhanden sind, ist mehr als beachtenswert.

 

Hebräischer Text an einem Werk des Flavius Josephus (HGB Frag. H 1)

Ein lohnenswertes Projekt

 

Soviel kann für den Moment gesagt werden: Die historischen Bestände der Hennebergischen Gymnasialbibliothek bieten einen wertvollen Befund hauptsächlich liturgischer Fragmente. Diese eröffnen der Provenienzforschung ein großflächiges Betätigungsfeld und lassen darauf hoffen, einige der Schleusinger Bibliotheksbestände und das intellektuelle Umfeld ihrer Nutzer vor Gründung des Hennebergischen Gymnasiums 1577 zu rekonstruieren. Hierzu ist es freilich notwendig, auch die Einbände und Inhalte der Trägerbände in die Untersuchung miteinzubeziehen.

Um die Bestände fachgerecht aufarbeiten und für das Museum sichern zu können, beabsichtigt das NHMS ein Erschließungsprojekt ins Leben zu rufen. Dieses soll - einer entsprechenden Förderung vorausgesetzt - drei Jahre dauern.

 

Publikationen aus dem Projekt

 

J. Witowski: Bedrängt durch die Welt, von der Kirche beschützt. Ein Urkundenfragment Abt Gerhards von St. Stephan in Würzburg. Aus der Hennebergischen Gymnasialbibliothek des Naturhistorischen Museums Schloss Bertholdsburg in Schleusingen, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 81 (2018), S. 177-205.

 

Betreuung des Projekts:
Dr. Janis Witowski