MUSEUM TROTZ CORONA, Teil 2
„Auf das niemand bei Seuchen darauf angewiesen sei, nach auswärtigen Ärzten zu rufen“
Eine Apothekenordnung für die Grafschaft Henneberg, gedruckt in Schleusingen, 1612
Objekt: HGB, S 324/6
Medizinische Krisensituationen waren seit jeher Bestandteil des menschlichen Lebens. Besonderen Schrecken verbreiten Seuchen, die sich rasant ausbreiten und zahlreiche Menschen innerhalb kürzester Zeit das Leben kosten können. Vor Seuchen, Epidemien und Pandemien fürchteten sich auch die Einwohner der gefürsteten Grafschaft Henneberg im 17. Jahrhundert. Diese versuchte man, durch obrigkeitliche Schutzmaßnahmen einzudämmen oder bestenfalls erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Im Jahre 1612 erließ Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen († 1656) für seine hennebergischen Gebiete, namentlich für die beiden Apotheken in Schleusingen und Meiningen, eine „renovirte und confirmirte Apothecken-Ordnung“. Diese wurde in Schleusingen gedruckt und im ganzen Land verteilt.
Der Landesfürst zeigte sich darin verständig, dass nur eine ausreichende medizinische Versorgung vor verheerenden Krankheitswellen schützen könne. Es sei darum die Pflicht der Ärzte („Medici“), Patienten die sie um Hilfe baten, anzuhören, persönlich aufzusuchen und zu behandeln. Eine intensive Betreuung sei vor allem bei Seuchen erforderlich („zumaln, wenn sich gefährliche Seuchen ereignen thun“). In jeder hennebergischen Stadt hatten die Stadtverordneten Sorge zu tragen, dass ausreichend medizinisches Personal vorhanden war, damit „nicht ursach geben, daß die Krancken andere auß- und ingesessene umb rath und hülff anschreyen müssen.“
In einem solchen Aufruf schwang vor allem der Appell mit, die Kranken und Hilfebedürftigen nicht medizinisch Unkundigen und Scharlatanen zu überlassen. Schon im Vorwort seiner Apothekerordnung wies Johann Georg seine Amtsträger und Untertanen scharf an, „Landfährer, ZiriacksKrämer, Steinschneider, Zahnbrecher und andere ihres gleichen“ aus ihren Städten und Amtsbezirken zu vertreiben und sie auch auf Jahrmärkten nicht zu dulden. „Barbirer, Bader“ und „Ocultisten“ sollten unter besonderer Beobachtung stehen. Besonders auf Märkten boten Heilkundige mit zweifelhaftem Ruf und Können ihre Künste für ein oft kleines Entgelt (besonders im Vergleich zu den teuren „Medici“!) an. Nicht selten trugen die Patienten von ihren Operationen, die vom Ziehen eines Zahnes bis hin zu chirurgischen Eingriffen am Auge oder Kopf reichten, mittelschwere oder sogar gravierende Folgeschäden davon. Es kam sogar zu Todesfällen. Die medizinischen Dienstleister machten es sich daher zur Gewohnheit, sich am Rande der Märkte, nahe der großen städtischen Zufahrtsstraßen zu postieren, um im Ernstfall eilig die Flucht antreten zu können.
Gefahr für Leib und Leben bestand freilich auch in der Verabreichung falscher Medikamente. Die Apothekerordnung von 1612 schrieb daher eine genaue Prüfung der praktizierenden Apotheker fest. Vor allem aber sollten diese ihre Geschäfte Tag und Nacht offenhalten, damit jeder, der eines Heilmittels bedurfte, dieses umgehend und ohne viel Leidenszeit beziehen konnte.
Der Umgang mit Krankheiten, deren Verhütung und die medizinische Versorgung der Bevölkerung waren auch in der Vormoderne zentrale gesellschaftliche Anliegen. Schriften wie die in Schleusingen gedruckte, hennebergische Apothekerordnung gibt hierüber beredte Auskunft.
Bild zur Meldung: Apothekenausstattung Schleusingen, 19.-20. Jahrhundert